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Dr. Wilhelm Bruno Lindner vor Gericht

Kurz notiert, schnell gelesen Die bibliophile Notiz für Kalenderwoche 09

Am 27. März 1860 stand der Leipziger Professor für Theologie vor dem königlichen Gericht Sachsens, um sich für wiederholten Bücherdiebstahl zu verantworten. Im Jahr zuvor war der renommierte Theologe überführt worden, durch einen Zufall begünstigt. Der Oberbibliothekar und Sammler Gersdorf traf beim Buchhändler Weigel, den er frequentierte, auf Drucke und Illustrationen, die ihm aus den Mängellisten der eigenen Bibliothek bekannt waren. Danach war der Täter bald gefunden. Lindner stahl nicht nur Bücher, er trennte wiederholt auch kostbare Malereien aus Büchern heraus.

Lindner versuchte sich mit Hilfe seines Verteidigers mit sophistischen Einwänden zu rechtfertigen, zugleich zeigte er sich jeweils bestens für seine «ungefähr 120 Fälle» vorbereitet, wie er dem Gericht kundtat: «zu diesem Zwecke habe er in der angegebenen Zeit stets ein Fläschchen mit Wasser nebst einem Pinsel von Hause mitgenommen und bei sich geführt, um die nötigen Auflösungen damit zu bewirken. […] Erst im weiteren Verlaufe sei auch ein Messer, welches er nur Behufs des Bleistiftspitzens bei sich getragen, bei sich darbietenden günstigen Gelegenheiten zum Aus- und Lostrennen von Blättern und ganzen Buchschalen in Anwendung gebracht worden.» Dazu habe er auch Gummi bei sich geführt, um «etwaige Verletzungen durch Einschnitte» wieder zu verkleben und die Spuren zu verwischen.

Am 29. März wurde er zu sechs Jahren Arbeitsstrafe verurteilt. Eine eigene Prozessschrift aus dem gleichen Jahr dokumentiert das Verfahren gegen Lindner.

–– Quelle: Der Prozess gegen Dr. Wilhelm Bruno Lindner, vormaligen ausserordentl. Professor der Theologie an der Universität Leipzig wegen Diebstahls. Leipzig 1860. (bm)

An dieser Stelle präsentieren wir wöchentlich eine bibliophile Notiz. Kalenderwoche 08: Bibliodrama

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