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Kommentar zum Leipziger Buchpreis
Die Überraschung war einhellig. Schon bei der Nomination der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse wunderten sich viele: ein Lyriktitel unter den besten fünf Büchern des Jahres? Nun hat exakt dieses Exotikum den Preis zuerkannt erhalten. Die Jurorin Meike Fessmann nannte es in ihrer Laudatio einen «Paukenschlag» für eine unterschätzte literarische Gattung. In den meisten Medien tönte es ähnlich. Die einen legten den Aspekt auf die «Riesen-Überraschung», andere nannten es «ein schönes Signal» (taz) oder «eine glückliche Fügung» (Die Zeit).
Alle Kommentare waren sich darin einig, dass Jan Wagner mit Recht für seinen Gedichtband «Regentonnenvariationen» ausgezeichnet worden ist. Umso eigenartiger mutet die damit verbundene Verblüffung an. Sie kulminiert gewissermassen in einer Bemerkung auf der Webseite des Schweizer Fernsehens: «Grundsätzlich sind alle Genres zugelassen – aber dass die Jury einen Gedicht-Band aus den über 400 eingereichten Werken ausgezeichnet hat, spricht entweder gegen die anderen Texte – oder eben sehr für Jan Wagner.» Mit den Worten aus dem Zürcher Tages-Anzeiger: die Wahl «war originell und angesichts der eher schwachen Konkurrenz auch nachvollziehbar».
Die Formulierungen lassen sie tief blicken, sie rühren an Grundsätzliches. Woher kommt der Gedanke, dass ein Preis an einen Lyrikband fast zwingend ein Argument gegen die Qualität von Romanen sein muss? Dass Auszeichnungen im Prinzip der Gattung Roman favorisieren?
Wie eine Übersicht über die Buchpreise der letzten Jahre unschwer zeigt, misst sich moderne Literatur am Roman (am liebsten mit einem Umfang von etwa 300 Seiten). Allenfalls finden Erzählbände hin und wieder die Gunst einer Jury. Romane werden verlegt, ausgezeichnet, gekauft und gelesen. Sie repräsentieren daher das ökonomische Ideal der modernen Literatur. Poesie und Epos waren mal, Theater ist etwas anderes. Essays?
Jan Wagners Ehrung wird nun auch als Trend zum Lyrischen gelobt – und sogleich wieder negiert. Die Zeit wies darauf hin, dass ja schon mit Lutz Seiler ein Lyriker ausgezeichnet worden sei – doch gerade eben nicht für die Lyrik, sondern für seinen ersten Roman. Und auf Spiegel online wird das Lob auf Wagners Gedichte mit einer Slideshow abgerundet: «Die 20 wichtigsten Romane im Frühjahr 2015».
Das wirkt alles ein wenig komisch und lächerlich. Ohne echte Überzeugung darf für einmal sogar ein Gedichtband eine Auszeichnung erhalten. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich der Literaturbetrieb mit der ältesten literarischen Gattung ein bisschen neu erfinden und sich darin gefallen möchte. Ob das visionär ist?
Dieser Beitrag wird geteilt mit dem Blog «Observatory of European Contemporary Literature» auf den Seiten von ELiT – Literature House Europe.
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