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Kurz notiert, schnell gelesen Die bibliophile Notiz für Kalenderwoche 42
1908 versuchten verschiedene Autoren, unter dem Titel «Die Welt in 100 Jahren» die Zukunft zu explorieren. Unter ihnen auch der Wiener Autor Hermann Bahr zum Gegenstand der Literatur. 100 Jahre später liest sich das durchaus mit Gewinn. Bahr gibt sich gleich eingangs betont skeptisch: «Das Kennzeichen der Literatur in hundert Jahren wird es sein, dass es keine Literaturen mehr geben wird, nämlich keinen besonderen Stand, der das Privileg hat, für die anderen das Wort zu besorgen, wie der Bäcker das Brot und der Metzger das Fleisch.»
Die Gründe dafür sind vielfältig, wie Bahr differenziert. Dabei überlagern sich die Argumente in seinem finstern Orakel. «Eine Reihe von Menschen lebt davon, dass ihre Gedichte gekauft werden. Ein Gedicht ist der Zustand irgend eines Menschen, in Worte verschlossen. Es ist durchaus nicht einzusehen, warum ein anderer Mensch es sich etwas kosten lassen soll, diesen ihm fremden und gleichgültigen Zustand kennen zu lernen.» Andererseits sorgen Fürsorge und Förderung dafür, dass niemand mehr von seinem Schreiben leben muss, womit das literarische Movens entfällt: «Das Motiv des heutigen Literaten, eingestanden oder nicht, ist der Lohn.»
Das alles klingt für heutige Ohren in der Logik nicht immer plausibel, die Argumente aber sind noch immer interessant zu lesen.
Hermann Bahr, Die Literatur in 100 Jahren, in: Die Welt in 100 Jahren, 1910. Reprint: Olms Verlag, 2010.
An dieser Stelle präsentieren wir wöchentlich eine bibliophile Notiz. Kalenderwoche 41: Allertollste Kritiken
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